Diese Erfahrung basiert auf jahrelangen toxischen Beziehungen - zum Alkohol und zu einem Menschen. In den nächsten Zeilen werdet ihr viel Reflexion erkennen und über tiefgehende Erkenntnisse lesen. Eine wirklich spannende Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen und einer Frau, die von einer Stärke trotzt, von denen sich viele von uns etwas abschauen können!
Meine Geschichte mit Alkohol ist - rückblickend betrachtet - lang und verworren. Ich komme aus einer Beziehung mit einem Alkoholiker und habe mich da ab und zu mitreissen lassen. Und je länger je mehr festgestellt, dass Alkohol mehr Feind als Freund ist. So ist mein Alkoholkonsum über die Jahre von "you only live once" (also Vollgas voraus) immer weniger und bewusster geworden. Dachte ich zumindest. Denn sobald ich ein, zwei Gläser trank (was zwar in immer längeren Abständen vorkam), blieb es halt nicht bei diesen ein, zwei Gläsern. "Go hard or go home!" war mein Motto.
Als ich dann wieder vermehrt und intensiver mit Sport angefangen habe, bemerkte ich, dass sich am Sonntagmorgen besser trainieren lässt, wenn kein Kater vorhanden ist. Und dass die Resultate auch schneller kommen. Zudem schlief ich besser. War konzentrierter. Das Übliche, was von so vielen Seiten der Sober-Bewegung erklärt wird. Und trotzdem habe ich mir gedacht "ab und zu schadet ja nicht so".
Und dann, eines Abends (ich hatte mich nach sehr sehr langer Zeit, vielen Tiefen, Rückschlägen und gebrochenen Versprechen, endlich aus dieser schmerzhaften Beziehung getrennt, was eh schon einiges ins Rollen gebracht hat), war ich mit einer Freundin feiern. Wir lernten ein paar Single-Männer kennen, hatten Spass. Und ich dachte mir so: Naja, die sind nett, aber wirklich kennenlernen will ich keinen von denen. Äh ja.. Ein paar Stunden und Gin Tonics später.. endete der Abend dann aber rumknutschend mit einem ebendieser "Will-ich-nicht-kennenlernen-Typen".
Am nächsten Tag stellte sich mein verkatertes Hirn viele Fragen: Will ich so unsorgfältig mit mir umgehen? Will ich Entscheidungen, welche ich nüchtern so niemals treffen würde, dann trotzdem treffen? Bin ich mir nicht mehr wert?
Und so kam mein "Tag 0". Denn offensichtlich ist mir ein sorgsamer Umgang mit Alkohol (und somit mit mir selber) nicht möglich. Es ist hart, sich das eingestehen zu müssen. Aber es befreit. Ich sehe es nicht als "Versagen", dass ich mit einer der abhängigstmachenden (ist das ein Wort?) Drogen der Welt nicht klarkomme. Ich sehe es als Selbstfürsorge und Verantwortung mir gegenüber, dass ich das erkannt habe und entsprechend handle.
Anfangs war ich noch verhalten damit, diesen Entschluss meinem Umfeld mitzuteilen (habe ich es doch schon zu Genüge "vorübergehend" probiert). Aber zu meinem Glück haben ausnahmslos alle (!) in meinem engsten Kreis positiv reagiert. Ein Dialog zwischen einer meiner ältesten Freundinnen und mir ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben:
Ich (am Geburtstag ebendieser Freundin): "Oh nein, für mich keinen Wein, danke!" Sie: "Machst du Dry March?"
Ich: "Nein, eher so Dry Life.."
Sie: "Ah, cool! Alkohol und du.. Der hat dir mehr Schlechtes gebracht als Gutes."
Das hat gesessen. Und trotzdem war es einfach wunderschön, dass es nur zwei Sätzen bedurfte und das Thema danach für den ganzen Abend erledigt war.
Seither ist viel passiert - ich bin jetzt knapp ein Jahr nüchtern und habs nie bereut oder hinterfragt. Ich bin geheilt, gewachsen und mit mir selbst so im Reinen, wie noch nie. Der Weg war nicht immer blumig und mit Sicherheit noch nicht zu Ende. Aber ich denke, man kann sich nur weiterentwickeln, wenn der Nebel verschwindet.
Ihr habt uns fleissig eure Geschichten und Erfahrungen geschickt. Danke dafür! Freut euch auf spannende Anekdoten, fesselnde Erfahrungen und Berichte und vielleicht auch die ein oder anderen Tipps.